Der seltsame Fall des Benjamin Button

Die alte Dame bewegt sich zurück. 

Sie liegt auf der Seite, ein klein gewordener Körper, beinahe in Fötushaltung. Sie versteht kaum mehr,  was sich um ihr Bett herum ereignet. Essen und Trinken, selbst ein Schluck Wasser wegen der Tabletten, bedarf der Anleitung.  Auch das Sprechen ist gewichen, verständliche Worte sind selten.  Das Reden vollzieht sich als Berührung, Geste, Lächeln und Augenblick.  Man hat nicht den Eindruck, einem greisen Menschen zu begegnen, sondern einem Kind. Die alte Dame kehrt im Alter zurück wie Benjamin Button, in die Kindheit und früher – und noch früher. 

Man erschaudert bei diesem Anblick: Ein verlöschendes Dasein.  Ein verstandesloser, lallender, greiser Säugling. So soll es nicht sein, das eigene Ende.

F. Scott Fitzgerald, mehr noch die Verfilmung von David Fincher haben diesem Schauder eine poetische Deutung entgegengesetzt. Denn was geschieht anderes im Seltsamen Fall des Benjamin Button, als dass einer den Weg zurücknimmt, noch mal durchs Leben geht, die Phasen des Reifens und missglückten Reifens hinter sich lassend, um am Ende noch einmal den Anfang zu sehen?  In aller Unschuld und Unentschiedenheit dem gegenüber, was kommt.

Man kann wohl behaupten, dass ein poetisches Bild die  Wirklichkeit nicht wahrhaben will. Die  schreckliche Wirklichkeit eines alten Menschen, dessen Gehirn von Eiweiß zersetzt, verplaquet, an Blutarmut abstirbt. Der am Ende gewindelt und halluzinierend seinen letzten Atemzug tut. Aber was mit dem Menschen geschieht, was in ihm vorgeht – und es geht nicht nichts in ihm vor -, das kann diese Schreckensvision nicht sagen; wie alle Visionen offenbart sie mehr über den Visionär als über die Realität. 

Ein Pfleger kommt ins Zimmer, fragt nach Befinden der alten Dame und streichelt ihre Wange. Auf die Frage kann sie natürlich nicht antworten, sie weiß auch nicht, wer fragt. Aber im Streicheln erkennt sie die Berührung ihrer Mutter oder ihres Vaters oder jemand anderes, der sie liebte. Sie lächelt. In diesem Moment ist alles gut. 

Bildquelle

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert