pixabay jason wagner

Doppeltgewicht

Herausforderung

Ich wusste, es würde eine ziemliche Herausforderung werden, noch einmal etwas von Anfang an zu lernen. Ich ziehe mir morgens meine Seniorenheim-Unisex-Arbeitskleidung über, in der wir alle irgendwie aussehen wie Playmobilmännchen.

Doppeltgewicht

Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr freundlich, aufgeschlossen und haben viel Humor. Gleichzeitig fühle ich den Ernst, mit dem sie ihrer Arbeit nachgehen. Sie ist im körperlichen Sinne zwar durchaus anspruchsvoll, aber man muss nicht fünf Stunden Zementeimer schleppen und Heizungen  in den vierten Stock tragen. Es ist eher eine gewichtige Arbeit. Auf meinen Kolleginnen und Kollegen liegt das Doppelgewicht, den Bewohnern empathisch gerecht zu werden und zwar nach den Maßgaben einer dokumentierbaren Versorgung. Niemand von den Senioren lebt freiwillig im Pflegeheim. Es ist zu Hause einfach nicht mehr gegangen. Die körperliche, mentale oder geistige Versehrtheit hat es nicht mehr zugelassen, daheim zu bleiben. Das hohe Alter lässt die Selbstverständlichkeiten des Lebens auseinanderfallen. Das ist ein Schmerz, der über die  Schmerzen einer arthritischen Schulter hinausgeht. Heute dachte ich, einer der Bewohner, er hatte fürs Mittagessen Platz genommen, sei quasi am gedeckten Tisch verstorben. Er hatte einen Aussetzer, eine Netzwerkunterbrechung sozusagen. Jetzt weiß ich, dass hier jederzeit und an allen Orten gestorben werden kann.

Anknüpfung

In der freien Zeit nach dem Frühstück und den Vorbereitungen zum Mittagessen habe ich – jeder Christ ein Gitarrist – mir ein paar Choräle und meine Gitarre geschnappt und ein bisschen vor kleinem Publikum herumgeklimpert. Ich wollte sehen, ob Musik etwas bewirken kann, etwas lockert. Ein wenig scheint es funktioniert zu haben. Ich suche noch andere Anknüpfungen – dokumentierbar natürlich!

nächster Beitrag: Musik rettet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert