Was hat sich der Blanvalet Verlag gedacht, als er Cover und Titel von Daniel O’Malleys Rook Files für den deutschen Markt gestaltete? Nicht eben viel. Denn weder das eine noch das andere wird diesem faszinierenden, innovativen Debüt des australischen Autors gerecht.
Myfanwy Thomas kommt in einer regnerischen Nacht halb tot geprügelt in einem Londoner Park zu sich. Doch ihre Angreifer sind noch übler dran, sie sind nämlich tot.
Myfanwy kann sich weder an den Kampf erinnern noch an den Grund dafür. Genau genommen kann sie sich an überhaupt nichts erinnern, nicht einmal daran, wer sie ist. In ihrer Tasche findet sie allerdings einen Brief, der ihre Identität nennt und zu erklären versucht, was ihr widerfahren ist.
Der Absender dieses Briefes indes ist noch ungewöhnlicher als die Umstände, in denen die Heldin ihn erhält. Er stammt nämlich von ihr selbst – und weitere Briefe folgen. Myfanwy Thomas, so viel lässt sich mit Gewissheit sagen, ist eine Frau, die auf absolut alles perfekt vorbereitet ist.
Schritt für Schritt, Brief für Brief kehrt sie zu sich selbst zurück. Sie findet heraus, dass sie die einflussreiche Funktionärin einer obskuren britischen Regierungsbehörde ist. Mit Mitteln, die außerhalb naturwissenschaftlicher Gesetze liegen, nimmt es die „Checquy“ (von französich „échecs“Schach) mit Feinden auf, für die Schwerkraft und Lichtgeschwindigkeit ebenfalls keine Grenzen darstellen. Innerhalb dieser Behörde hat Myfanwy Thomas die Position eines „Rooks“ inne, eines „Turmes“. Doch wer hat versucht, sie Schachmatt zu setzen und warum? Ist unter ihren illustren Kollegen ein mörderischer Verschwörer?
Nein, Myfanwy Thomas ist nicht die „coolste, liebenswerteste und witzigste Heldin der Urban Fantasy“, wie der Klappentext Glauben machen will. Für das Verlagsmarketing war Daniel O’Malleys Buch eine solch harte Nuss, dass es sich die Zähne daran ausgebissen hat. Und gerade deswegen erweist sich „The Rook“, so der Originaltitel schlicht, als brillanter Lesestoff.