Der übelgelaunte Konfirmand
Bischöfin Mariann Budde bat den neuen alten Präsident Donald Trump Gnade mit denen zu haben, die sich vor seinem Sieg fürchten müssen. Das sind für sie vor allem illegale Immigranten und Menschen, die nicht heterosexuell leben. Sie bezieht sich auf 3.Mose 19,34 (Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen). Da saß er nun, Trump, wie ein übelgelaunter Konfirmand in der ersten Bank und musste sich diese Bitte gefallen lassen. Neben ihm die First Lady mit eingefrorener Miene, dann und wann einen Seitenblick auf den Gatten werfend, möglicherweise befürchtend, dass der sich zu einer seiner unregelmäßigen Reaktionen hinreißen lässt. Auch die übrigen Kabinettsmitglieder samt Entourage strahlten unbehagliche Aufmerksamkeit aus. Aufmerksamkeit immerhin. Später wird Donald Trump öffentlich eine Entschuldigung für diese Predigt verlangen und zwar von der Bischöfin und ihrer Kirche.
Fremdkörper
Eine Entschuldigung für was? Es ist eine Bitte, die dies Unbehagen beim Präsidenten hervorruft. Die Bischöfin kanzelt, obwohl die räumlichen Voraussetzungen erfüllt sind, niemanden ab. Sie bittet, man kann fast sagen, sie bittet demütig um Gnade. Sie sucht um Gnade für Angehörige von Minderheiten, Fremde, im trumpischen Sinne Fremdkörper. Gnadengesuche erwartet man verurteilten Verbrechern. Diese Menschen indes haben nichts getan, außer die zu sein, die sie sind. Es ist nichts Anstößiges an dieser Predigt. Selbst wenn man die Beispiele moniert, die Mariann Budde anführt, schwule, lesbische und Transgender-Kinder, so kann doch jeder nachfühlen, wie viel Angst eine Umgebung auslöst, von der man nur Ablehnung erwarten kann.
Tückisch
Allerdings hat diese Predigt auch so ihre theologischen Tücken: Bischöfin Budde ist überzeugt, dass sie nicht ihre Meinung, sondern der Schrift gemäß gepredigt hat. Präsident Donald Trump ist überzeugt, dass er das Attentat überlebte, weil Gott ihn erwählt hat, Präsident zu sein. Wem glaube ich, Schrift oder Schicksal? Die Antwort ist leicht: Selbstverständlich dem Schicksal. Schicksal ist immer glaubwürdiger als die Bibel. Das Schicksal ist eindeutig. Wenn einer ein Attentat überlebt oder in einer Schlacht als Sieger hervorgeht, ist der Wille des Herrn offensichtlich. Es ist unnötig, sich Gedanken zu machen, was die Bischöfin gesagt und wie sie es gesagt hat. Der Affront besteht darin, dass sie es tut. Trumps Empörung darüber ist gemessen an Trumps Persönlichkeit kaum erstaunlich. Impulsiv, extrem, egoman.
Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Trump verlangt eine Entschuldigung von Bischöfin und Kirche. In den USA herrscht verfassungsgemäß eine Trennung von Kirche und Staat. Diese Trennung soll Staat und Kirche Unabhängigkeit voneinander gewähren. "Der Staat hat sich aus der Religion herauszuhalten." Diese Trennung hebt Trump auf. Die Kirche steht unter seiner präsidialen Stellung und deshalb kann er auch von der Episkopalen Kirche der Vereinigten Staaten von Amerika eine Entschuldigung verlangen, weil sich deren Right Reverend Budde unbotmäßig geäußert hat. Dieser für Kirchenverächter amüsante Konflikt zwischen einer Kirchenfunktionärin und dem ältesten unverschämtesten Konfirmanden der Welt erweist sich bei näherem Hinsehen als Dilemma: Die Bischöfin und ihre Kirche können sich nicht entschuldigen. Wenn sie es täten, würde die in den Bill of Rights festgelegte Unabhängigkeit der Religion vom Staat untergraben; man darf nicht vergessen, dass in den USA im Unterschied zu Deutschland die Trennung von Kirche und Staat nicht das Ergebnis eines historischen Weges gewesen ist, sondern am Anfang der amerikanischen Identität steht.
Schlagzeilen im Sparingsformat
Nun wird die ganze Angelegenheit in den Medien wie immer persönlich ausgetragen, Budde vs. Trump. Solche Schlagzeilen im Sparingsformat haben eine Halbwertszeit von bestenfalls vier Tagen. Vermutlich wird Donald Trump dem Ganzen selbst ein Ende bereiten, z.B. weil er Puerto Rico verkaufen will, um Grönland zu bezahlen. Zurück bleibt ein Gefühl von Verstörung und Verunsicherung. Da wären wir wieder bei Buddes Predigt: Jener Angst, die jeder nachfühlen kann, der in einer Zeit lebt, von der er nur Erbarmungslosigkeit erwarten kann. Und das wären wir ja dann alle.
Comments