Das Meer trägt ein seltsames Kind  an den Strand von Aethiopia. Es ist Medusa, Tochter der Götter Keto und  Phorkys, deren zahlreiche Nachkommenschaft sich anders als die olympischen Gottheiten sämtlich durch Monströsität und Ungeheuerlichkeit auszeichnet.

Doch Medusa ist sonderbar. Sie ist wunderschön und abgesehen von den Flügeln auf ihrem Rücken könnte man sie für einen Menschen halten. Ihre Schwestern Stheno und Euryale, die sich durch herrliche Hässlichkeit auszeichnen, nehmen sie in Obhut und ziehen die merkwürdig menschliche Schwester auf. Denn noch etwas ist eigentümlich an Medusa: Sie ist anders als ihre Gorgonenschwestern nicht unsterblich.

Natalie Haynes erzählt in Stone Blind Medusas Geschichte und gleichzeitig die der Götter Zeus, Hera, Poseidon und Athene. Letztere werden Medusa zum Verhängnis. Poseidon vergewaltigt, Athene verflucht sie. Ein, würde es sich dabei nicht um Götter handeln, blasphemisches Unrecht

Natalie Haynes, klassische Philologin, Moderatorin, Comedian, Kolumnistin, kurz medienversierte Rundumbegabung, ist es gelungen, nicht nur ein spannendes Buch zu schreiben, sondern der griechischen Mythologie den Spiegel vorzuhalten. Die strahlenden Olympier sind nichts als  eine Bande narzisstischer Unsterblicher, die weiblichen eifersüchtig, die männlichen getrieben und alle bis ins Groteske blasiert. Die Ungeheuer und Monstren  werden zu Opfern dieser bösartigen Überheblichkeit, allen voran Medusa. 

Das Buch ist ein Spiegel im  Spiegel und gerade das macht es so fesselnd. Jene Olympier, in ihrer Verachtung und Eitelkeit die eigentlichen Bestien, spiegeln die Verachtung der gegenüber den Frauen  und die Erbarmungslosigkeit der Erhabenen gegen das, was sie  als unterlegen beurteilen (im Falle von Gottheiten heißt das schlechthin alles andere). Im Gewand antiker Sage schildert Natalie Haynes letztlich unsere eigene Hybris.

Wohl deshalb geht einem Medusas Geschichte nahe. 

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