
Hat Hemingway je russische Literatur gelesen? Hat er, der Meister des knappen, präzisen Stils je die Geduld dafür aufgebracht?
Langatmig, ausschweifend, verstiegen, ausufernd – das zeichnet die Metro-Trilogie des russischen Science-Fiction-Autors Dmitry Glukhovsky aus. Und doch sind seine Bücher Bestseller. Und sie sind es mit Recht. Die Idee ist einfach: Was wäre, wenn über die Erde ein verheerende Atomkrieg hereingebrochen wäre, der den Aufenthalt an der Erdoberfläche unmöglich machte? Die Überlebenden haben sich in die berühmte Moskauer Metro zurückgezogen und dort, Station für Station Gesellschaften ausgebildet. Kleine Stationen, die, heimgesucht von geheimnisvollen Seuchen und Gefahren, kurz vor ihrer Aufgabe stehen, die Hanse, ein Verbund mächtiger Stationen, die durch ihre strategische Lage und ihre Handelsbeziehungen Einfluss auf die übrige Metro ausüben. Jede Reise auf den Gleisen von Station zu Station kann eine Reise ohne Wiederkehr sein, eine Reise in die Finsternis, auch in die eigene.
Glukhovsky beschreibt die Charaktere seiner Helden ausführlich, die Szenerie mit der Akribie eines dystopischen Renaissancemalers. Manchmal weiß man nicht was dem Autor wichtiger gewesen ist, die Handlung oder die Ausgestaltung der Szenerie. Leser und Leserinnen, die den westlichen Literaturstil gewöhnt sind, fordert der Stil dieser außerordentlichen Trilogie heraus.
Sie geht einem nicht mehr aus dem Kopf. Das ist, was die Metro-Reihe erreicht. Sie beschäftigt einen weiter. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Spiele und eine Comic-Reihe den Stoff verarbeitet haben. Metro ist außergewöhnlich und deshalb empfehlenswert.
Aber auch weil Glukhovskys Beschäftigung mit einer Gesellschaft in der Finsternis für ihn nicht nur Material für Unterhaltungsliteratur bietet. Er gehört zu den schärfsten Kritikern des Ukraine-Krieges und des russischen Präsidenten Putin. Seinen schriftstellerischen Erfolg hat er eingesetzt, um immer wieder auf die Perfidie des russischen Machthabers hinzuweisen, der sein Volk immer tiefer in die Unfreiheit führt. Mit der Folge, dass er seine Bücher in seiner Heimat verboten sind. Nichts desto trotz schreibt er weiter. Sein neuestes Buch ist allerdings keine bedrückende Zukunftsvision, sondern spielt in einer Gegenwart, die eben diese Dystopie einholen will.